Reinold Rehberger, W&V, berichtet über das 2. Forum Unternehmenskommunikation:

Markenkommunikation der Zukunft
Corporate Design — Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Deutschlands führende CD-Experten reden Tacheles in Mainz

Ausgerechnet ein Geldhaus fühlt sich für die Unternehmensästhetik in diesem Land mitverantwortlich. Die Landesbank Rheinland-Pfalz mit ihrem ambitionierten Pressesprecher Jürgen Pitzer war einer der Hauptsponsoren dieser in Deutschland einzigartigen Veranstaltung. Ideeller Förderer: werben & verkaufen.

Was sich auf Einladung der aufstrebenden Designagentur Heisters & Partner im 5. Stock an der Großen Bleiche 54-56 versammelt hatte, zählt zur mitteleuropäischen Champions League des Corporate Design.

Akademische Granden wie Ruedi Baur (Zürich/Paris), Gisela Grosse (Münster) und der Emeritus Olaf Leu (Wiesbaden) saßen mit den Machern aus den Konzernen in einem Kreis: Jürgen Barthel (Siemens), Ralph Kaebe (TUI), Klaus Jürgen Maack (Erco), Marcus Wöhl (Dykerhoff), Dirk Bittmann (WestLB) und mittendrin Initiator und Impulsgeber Valentin Heisters (Heisters & Partner).

Alles in allem eine außergewöhnliche Mischung aus weltläufigem Expertentum, avantgardistischer Kommunikation und originellem Design — und schon deshalb kaum zu glauben, dass über den Häuptern dieses Kreises das Thema „Deutsches CD in der Krise“ wie ein klobiges Schwert hing.

Der Zürcher Publizist Michael Guggenheimer, der das Forum moderierte, wiederholt die sarkastische Bemerkung Olaf Leus, der das „Corporate Design organisatorisch auf eine Stufe mit der Beschaffung von Büromaterial gesunken“ sieht — keine einfache Frage an Jürgen Barthel, den Director of Communications/Corporate Brand & Design der Münchner Siemens AG.

Barthel, der für die Definition und Implementierung des Global Corporate Design von Deutschlands größtem Konzern verantwortlich ist, bekennt offen, dass er noch nie „mit so wenig Geld gearbeitet“ habe — aber auch noch nie in einer Phase mit so gestiegenen Ansprüchen: „Viele Ansprüche kommen aus einer finanziell besseren Zeit.“

Die Zwölf Apostel des guten Geschmacks, die sich in Mainz versammelt hatten, redeten Tacheles. Man kennt sich, man versteht sich. Und dennoch saß hier keine auf Harmonie bedachte Selbsterfahrungsgruppe. Das wiederum macht den einzigartigen Reiz dieses Meetings aus. Bei ihren Antworten auf die Kernfrage des Forums „Welche Wege und Visionen bringen Wirtschaft und Design ihren Zielen näher?“ setzten die Teilnehmer unterschiedliche Akzente.

Klaus Jürgen Maack, der eines Tages bei Erco keine Lampen mehr, sondern einfach nur „Licht“ verkaufen wollte, konnte eindrucksvoll belegen, dass eine solche Kultur — Maack hatte sie zusammen mit der Designer-Legende Otl Aicher entwickelt — für einen langfristigen Wertzuwachs des Unternehmens sorgt. Maack/Erco ist auch insofern nicht alltäglich, als hier der Initiator des neuen Auftritts durch seine persönliche Beziehung zur Eigentümerfamilie (Maack: „Ich hatte das Glück, die einzige Tochter des Firmeninhabers zu heiraten.“) seine Ideen durchsetzen konnte.

Was aber geschieht, wenn sich wie fast überall Zuständigkeiten verteilen, „wenn nicht mehr eine Gestalterpersönlichkeit auf eine Unternehmerpersönlichkeit trifft, sondern Konsortien auf beiden Seiten eine Handschrift prägen müssen?“, wie der Mainzer Gestalter Valentin Heisters, der Organisator des Treffens, fragt.

Eine Antwort auf diese Frage liefert LRP-Mann Pitzer: „Die Designer müssen nachweisen, welchen Wertschöpfungsbeitrag sie zum Wertwachstum ins Unternehmens beitragen. Auf diese Fragen muss das Design konkrete Antworten geben, sonst wird es als strategischer Wertschöpfungsfaktor nicht wahrgenommen.“

Corporate Design bewegt sich von Anfang an auf dieser Rasierklinge. „Kostenfaktor“, „Spielwiese für Spinnerte“, „weitgehend überflüssig“ — noch immer ist Ignoranten und Bleistifthaltern kein Vorurteil gut genug, um ein Marketingtool zu diffamieren.

In vielen Unternehmen, beobachtete Olaf Leu, genießt Design eine niedrige Priorität. Die Folge: Das Handwerk ist weitgehend erstarrt, hat sich den berühmten Kostenzwängen untergeordnet, und weil auch auf diesem Sektor sehr vorsichtig agiert wird, mag auch kaum jemand mehr ein Risiko eingehen. Der kreative Output bewegt sich vielerorts zwischen allgemeiner Ratlosigkeit und unverfrorenem Abkupfern.

Dennoch — die renommierten Player sind auf der Suche nach Auswegen. Wie lässt sich Corporate Design glaubhaft mit der Corporate Identity eines Unternehmens verbinden, welche Wechselwirkungen ergeben sich aus dem Anspruch des Unternehmens und dem Anspruch des Gestalters? „Der Status des Designers ist heute, dass er das Briefing zu akzeptieren hat. Ich kann sagen, wenn ich jemals ein einziges Briefing akzeptiert hätte, hätte ich nie die Arbeit gemacht, die ich hinter mir habe“, sagt Ruedi Baur.

Baur, der unter anderem das Besucherleitsystem im Centre Pompidou entwickelt hat, propagiert den Weg eines offenen Corporate Design, das nicht versucht, den Auftritt eines Unternehmens zu beherrschen, sondern das kreative Potenzial aller Beteiligten zu nutzen: „Was war, ist nicht mehr, was wir brauchen.“

Fazit: Mainz war die brillante Präsentation eines Themas, von dessen Umsetzung künftig immer häufiger das Überleben eines Unternehmen abhängig sein wird. Im Zeitalter der Beliebigkeit, der Austauschbarkeit und einer den gesamten Globus erfassenden Flut von Produkten und Dienstleistungen wird es immer mehr auf die individuelle und überzeugende Handschrift des Anbieters ankommen.

Reinold Rehberger, W&V online